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Samstag, 3. Dezember 2016

2. Wunderkammern

Eng mit den Bibliotheken verwandt (und in denen man bekanntlich Bücher und Schriften aller Art sammelt) ist das Panoptikum, die Wunderkammer, in der man seit dem späten Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit „Dinge“, in erster Linie „Kuriositäten“, naturkundliche Objekte sowie Kunstgegenstände, meist alles andere als systematisch gesammelt und aufbewahrt hat. Ein weltweit bekanntes Beispiel dafür ist das berühmte „Grüne Gewölbe“ in Dresden, welches Sie unbedingt besuchen sollten, wenn es Sie einmal nach Dresden verschlägt. Es ist die Schatz- und Wunderkammer der Wettiner Fürsten, die darin ihre Kunstschätze seit 1724 öffentlich zugänglich gemacht haben. Obwohl es sich hier eher um eine Kunstsammlung handelt, kann sie ihren Ursprung aus dem gerade in der Barockzeit unter den weltlichen Herrschern weit verbreiteten Wunsch nach dem Besitz „wunderlicher und kurioser Dinge“ kaum verheimlichen. Ja, August der Starke stellte selbst fähige Künstler und Handwerker seiner Zeit an, um entsprechende Exponate nach seinen Wunschvorstellungen herstellen zu lassen. Ich denke hier nur an den Hofgoldschmieds Johann Melchior Dinglinger (1664-1731), dessen Arbeiten (beispielsweise „Das goldene Kaffeezeug” (1701) oder das „Bad der Diana” (1704)) auch heute noch zu den herausragenden Exponaten des „Grünen Gewölbes” zählen.

Der Begriff der „Wunderkammer” wurde meines Wissens zum ersten Mal in der sogenannten „Zimmerischen Chronik”, der Familienchronik der Grafen von Zimmern aus Meßkirch in Baden-Württemberg (sie entstand zwischen 1564 und 1566), verwendet, um damit eine unspezifische Kunst-, Naturalien- und Kuriositätensammlung zu bezeichnen, wie sie besonders im Zeitalter des Barocks unter Landesherrn und vermögenden Bürgern weit verbreitet waren. Damit konnte man angeben, seine hohe Bildung beweisen und sein Vermögen in diesem Sinne „sinnvoll” anlegen. Exponate gab es zuhauf. Insbesondere die Entdeckungs- und Handelsreisen nach „Übersee“ brachten stetigen Nachschub an Tierbälgen, Trophäen, ethnographischen „Kuriosa“ mit, die dann in entsprechenden „Kuriositätenkabinetten“ landeten…

Es gab aber auch „städtische Wunderkammern“, die sich, wie die im ostsächsischen Zittau, bis auf das Jahr 1564 zurückverfolgen lassen. In genau diesem Jahr wurde hier mit der Schenkung einer Wiener Standsonnenuhr quasi ihr „Grundstein“ gelegt. Aus deren reichem Bücherbestand entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte eine überaus wertvolle Bibliothek, die zu Teilen noch heute im Altbestand der Christian-Weise-Bibliothek erhalten geblieben und Interessenten zugänglich ist. Einige der Kunstgegenstände daraus (wie z. B. der „Engelmannsche Himmelsglobus“ von 1690 oder die Armillarsphäre von 1790) können im Zittauer Stadtmuseum besichtigt werden.

In früheren Zeiten bezeichnete man solch eine „Wunderkammer“ meist als ein Panoptikum. Heute wird dieser Begriff gewöhnlich nur noch als Synonym für ein „Wachsfigurenkabinett“ verwendet, welches ja, wenn man es richtig betrachtet, in einem gewissen Sinn auch nur eine spezielle Art von „Wunderkammer“ darstellt, insbesondere dann, wenn man sich vor Augen führt, wie die dort ausgestellten und ausgesprochen lebensecht wirkende Figuren hergestellt werden.

Im Sinne des Titels dieses Buches wollen wir uns unter „Panoptikum“ dann doch eher ein „barockes Kuriositätenkabinett“ vorstellen, welches eine Vielzahl unterschiedlichster „wunderlicher Dinge“ enthält, wobei der Begriff „wunderliche Dinge“ sehr weit gefasst wird und nicht nur „dinghafte“ Objekte, sondern auch Begebenheiten, Lebensschicksale, wissenschaftliche und philosophische Erkenntnisse, geschichtliche Ereignisse sowie technische und kulturelle Errungenschaften umfassen soll. Und wenn diese Dinge nicht nur bemerkenswert, sondern auch noch interessant sind (d. h. eine kognitive Anteilnahme auch ohne erkennbaren höheren Zweck bei Ihnen als Leser oder Betrachter hervorrufen), ja dann sind sie vielleicht sogar Thema dieses Buches…

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