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Samstag, 3. Dezember 2016

27. Navier-Stokes - ein Milleniums-Problem

Um Sie etwas zu erschrecken, möchte ich die Gleichungen (es handelt sich um ein System nichtlinearer partieller Differentialgleichungen) hier mal kurz aufschreiben, ohne sie aber gebührend erklären zu wollen oder auch nur zu können (dafür gibt es umfangreiche Fachliteratur). Es geht hier lediglich um die „Optik“, damit Sie einmal sehen, mit was sich Mathematiker, Physiker, Meteorologen sowie Ingenieure aus dem Fachbereich der Strömungsmechanik beruflich so herumschlagen müssen:

Navier-Stokes-Gleichungen


Die Anwendungsfälle dieses Gleichungssystems sind enorm. Man benötigt es beispielsweise, um die Windschnittigkeit von PKW zu optimieren sowie für die Berechnung der Flügelprofile und der Auslegung der Triebwerke moderner Passagier- und Kampfflugzeuge. Astrophysiker benutzen es, um „Jets“, die aus den Kernen aktiver Galaxien (Quasare) herausschießen, mathematisch zu simulieren und um auf diese Weise ihre Funktionsprinzipien immer besser zu verstehen. Für den Meteorologen, der sich mit den komplexen Strömungsvorgänge in der unteren Erdatmosphäre auseinander setzen muss, sind sie genauso unverzichtbar wie für den Ingenieur, dessen Aufgabe beispielsweise in der Entwicklung moderner Kraftwerksanlagen oder Schiffsantrieben liegt. Kurz gesagt, die Navier-Stokes-Gleichungen sind ein Gleichungssystem mit überragender praktischer Relevanz. Und hier liegt auch schon das Problem. Man weiß bis heute nicht (bis auf ein paar triviale Einzelfälle), wie man sie exakt (d. h. analytisch) lösen kann. „Numerisch“ - d. h. mit Hilfe von Computern - Näherungslösungen für alle möglichen Anwendungsfälle zu finden, ist dagegen kein Problem mehr. Trotzdem wäre es von allergrößter Bedeutung zu beweisen, dass es für die Navier-Stokes-Gleichungen exakte Lösungen gibt - und zwar egal, wie die Anfangsbedingungen aussehen. Denn dann könnte man deren zeitliches Verhalten quasi determiniert erforschen und so zu neuen Einsichten in komplexe dynamische Systeme, die oft mit dem Begriff des deterministischen Chaos verbunden werden, gelangen. Man denke hier an die kurzfristige Wetter und langfristige Klimavorhersage, an die Bewegung von Planeten und Planetoiden um Sterne (Stichwort n-Körperproblem), an komplexe Lebensvorgänge oder an die Entwicklung von Börsenkursen, die sich im Detail bekanntlich kaum vorhersagen lassen. Aus diesem Grund wurde die Frage nach exakten Lösungen der Navier-Stokes-Gleichungen auch in die Liste der 7 „Milleniumsprobleme“ der Mathematik aufgenommen, für deren Lösung jeweils ein Preisgeld von einer Million US-Dollar ausgelobt sind. Wer also Zeit und Muße hat und obendrein noch eine Million Dollar verdienen möchte...

Übrigens, bis heute (2016) konnte nur eines von diesen sieben Problemen gelöst werden, die sogenannte Poincaré-Vermutung. In die Überprüfung der Lösung wurden allein mehrere Jahre Arbeit hochkarätiger Spezialisten investiert, bis die Gemeinde der Mathematiker sicher war, dass der von dem extravaganten russischen Mathematiker Grigori Perelman vorgelegte (aber niemals von ihm selbst in einer mathematischen Fachzeitschrift veröffentlichte) Beweis korrekt ist. Von der Öffentlichkeit ist dabei weniger die intellektuelle Leistung des mittlerweile freiwillig arbeitslosen Mathematikers als dessen Weigerung, sowohl die Fields-Medaille (quasi der „Nobelpreis“ für junge Mathematiker) als auch das Preisgeld anzunehmen, mit Aufmerksamkeit bedacht worden. Übrigens, wer einmal etwas Anspruchsvolleres als diesen Text lesen möchte, die Arbeiten von Grigori Perelman sind leicht im Internet zu finden (ArXiv)…

Was nicht im Buch steht...


Jupiteratmosphäre - Navier-Stokes in Aktion!

Einführung in die Theorie der Navier-Stokes-Gleichungen (pdf)




Vorlesung: Navier-Stokes-Gleichung

Sie haben abends nichts vor? Sie haben ein Faible für Mathematik? Sie brauchen etwas Kleingeld?

Hier die sieben Milleniumsprobleme...

Versuchen Sie aber nicht Nummer 2  (Poincarè-Vermutung) - Sie wurde von Herrn Perelman bereits erledigt:


Hier kann man seine Lösung nachlesen (pdf)

Teil 1
Teil 2
Teil 3

Die Fields-Medaille

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